Reptilienleder
Allgemeines
In Indonesien entstanden im Jahr 2010 schockierende Aufnahmen zum Umgang mit Schlangen und Echsen, die im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurden. In den Videoaufnahmen zu sehen waren etwa Warane mit zusammengeschnürten Beinen, die während Tagen in aufeinandergestapelten Plastiksäcken verharren mussten und achtlos zu Boden geworfen wurden. Getötet wurden die Tiere per Kopfschlag mit einem Knüppel. Nach dem vermeintlich tödlichen Schlag zeigten zahlreiche Tiere jedoch Merkmale bewusster Wahrnehmung. Schlangen wurden am Kiefer aufgehängt und ihre Körper zur besseren Ablösung der Haut mit Wasser gefüllt. Die Tiere ertranken qualvoll oder erlebten ihre Häutung bewusst mit.
Abgesehen von den erheblichen Tierschutzbedenken ist die Lage auch mit Blick auf den Artenschutz kaum zuverlässig einzuschätzen. Die für das Leder verwendeten Tiere wie Pythons oder asiatische Warane sind in der Regel Wildfänge, da ihre Zucht, Fütterung und Pflege aufwendig und teuer ist. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Handels mit diesen Tieren sind sich Experten mangels zuverlässiger Populationsdaten nicht einig.
Für Lederarmbänder von Schweizer Uhren werden hauptsächlich Häute von Alligatoren (Alligator mississippiensis) aus den USA verwendet. Das amerikanische Alligatorenmanagementprogramm gilt gemeinhin als nachhaltig und wird sogar als wahrer Artenschutzerfolg gefeiert. Im Wesentlichen wird auf ein sogenanntes Ranching-System gesetzt, das in einem Austausch zwischen Tieren aus freier Natur und Nachzucht besteht. Dabei werden der natürlichen Population Eier entnommen und auf einer Farm ausgebrütet. Ein Teil der Jungtiere wird nach Erreichen einer bestimmten Grösse zurück in die Natur entlassen, der andere Teil wird für die Weiterzucht und anschliessende Ledergewinnung in grossen Hallen untergebracht. Zudem erteilt die Jagd- und Fischereibehörde des jeweiligen Bundesstaates Lizenzen zur Jagd von wilden Alligatoren auf Basis der von ihr ermittelten Jahresquote im relevanten Gebiet. Aus Artenschutzsicht stammen die Häute, die in den internationalen Handel gelangen, daher von einer streng überwachten und als nachhaltig geltenden Quelle.
In Bezug auf die Haltung, den Umgang und die Tötung der Tiere zeigt sich die Situation indessen nicht so erfreulich und wenig transparent, wie eine Reportage des Schweizer Fernsehens im Jahr 2013 eindrucksvoll zeigt. Einblick in diesen Industriezweig erhalten nur ausgewählte Personen. Eine Ausnahme bilden lediglich jene Farmen, die auch touristisch genutzt werden. Sie verfügen über gewisse Bereiche, die öffentlich zugänglich sind, allerdings repräsentieren diese nicht die üblichen Haltungsbedingungen, unter denen die für die Lederproduktion aufgezogenen Tiere leben.
Rechtliche Erfassung
Im Weiteren wurden gemäss Angaben des BLV offizielle Workshops in Indonesien, Malaysia und Vietnam durch die Python Conservation Partnership (PCP) organisiert und dadurch für die Führung von Schlachthäusern verantwortliche Personen bezüglich humaner Tötungsmethoden instruiert. Für die Öffentlichkeit besteht jedoch keine Möglichkeit zu überprüfen, ob sich die Lage dadurch tatsächlich verbessert hat. Fraglich ist darüber hinaus, ob sich auch der Umgang mit den Tieren vor der Schlachtung, namentlich im Rahmen des Fangs und des Transports der Tiere zum Schlachthaus, verbessert hat. Die bisher erfolgten Bemühungen konzentrierten sich allein auf die Tötung der Reptilien. Das Einsammeln der wildlebenden Schlangen und Warane erfolgt zumeist unkontrolliert durch die örtliche Bevölkerung. Diesbezüglich sind – soweit bekannt – keine Instruktionen zu einem schonenden Umgang mit Tieren erfolgt.
Bei den Alligatorenfarmen in den USA hingegen wird der Handel aus Artenschutzsicht streng kontrolliert und es bestehen keine Hinweise darauf, dass die CITES-Bestimmungen nicht eingehalten werden. Aus Tierschutzsicht stellen solche Farmen jedoch regelmässig klassische Massentierhaltungen dar. Um die Tiere ruhig zu stellen, werden sie in geschlossenen Hallen oder Bunkern mit Betonbecken in Dämmerlicht oder im Dunkeln gehalten. Die glatte Oberfläche der Betongruben verhindert Verletzungen der Haut. Die Mindestmasse für die Haltung respektive die Tierdichte, die Infrastruktur und die lediglich rudimentären Empfehlungen zum Wohlergehen, namentlich "ausreichend Nahrung" und "Zugang zu Wasser", liegen deutlich unter den Anforderungen des Schweizer Tierschutzrechts. Neben Bestimmungen zur Ausgestaltung der Gehege etwa hinsichtlich Wasserbecken, Wärmequelle für jedes Tier, Licht, Grösse des Landteils oder Gehegeunterteilung wäre gemäss den Schweizer Mindestanforderungen auch die Sozialstruktur zu berücksichtigen.
Weitere Informationen
- STS Report "Tierschutzprobleme bei der Gewinnung von Reptilienledern" aus dem Jahr 2016
- National Geographic Bericht "Luxury fashion brands had thousands of exotic leather goods seized by U.S. law enforcement" vom Mai 2020