Wagt der Ständerat das überfällige JA zum Importverbot für Jagdtrophäen?
Es klingt wie aus der Zeit gefallen: Selbst international geschützte Arten wie Eisbären, Löwen, Elefanten, Giraffen, Walrosse, Flusspferde und Nashörner werden auf Jagdsafaris jährlich weltweit zu Hunderttausenden getötet. Zu den Grosswildjägern gehören auch Schweizerinnen und Schweizer, welche die makabren Trophäen in die Schweiz importieren. OceanCare, die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) sowie 59 weitere unterstützende Organisationen fordern gemeinsam mit der damaligen Nationalrätin Isabelle Chevalley vom Schweizer Ständerat den überfälligen Entscheid, die Ein- und Durchfuhr von Jagdtrophäen, die von Tieren aus den Anhängen I bis III des CITES-Übereinkommens stammen, hierzulande zu verbieten. Denn erst die Trophäe macht die Grosswildjagd attraktiv.
25.05.2022
«Wir stehen vor dem grössten Biodiversitätsverlust seit dem Aussterben der Dinosaurier. Die Trophäenjagd verbietet sich von selbst. Sie ist egoistisch, unethisch und ergibt weder moralisch, ökonomisch, noch ökologisch Sinn», sagt Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von OceanCare.
Der Nationalrat und die Mehrheit der Bevölkerung unterstützen ein Importverbot. Und der Ständerat?
Gegenwärtig können Schweizerinnen und Schweizer nach der Jagdsafari problemlos mit erlegten Wildtieren in die Schweiz einreisen. Dies, auch wenn die Tiere international geschützt und sogar stark bedroht sind. Bereits seit dem Jahre 2015 wird ein Importverbot für Jagdtrophäen in Form von politischen Vorstössen im Parlament diskutiert. Im Mai 2021 nahm der Nationalrat die vorliegende Motion sodann mit 121:60 Stimmen bei 6 Enthaltungen deutlich an. Im Ständerat wird am 30. Mai 2022 über das Geschäft entschieden.
Gemäss einer repräsentativen Umfrage, welche die TIR im Oktober 2021 dem Forschungsinstitut gfs-zürich in Auftrag gab, spricht sich eine überwältigende Mehrheit von 96 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer für ein Importverbot von Jagdtrophäen aus. «Ich bin gespannt, ob sich der Ständerat den Volkswillen zu Herzen nimmt und endlich einen zeitgemässen Entscheid im Sinne der Tiere fällt», sagt Sibel Konyo, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin der TIR.
Dass auch in der Schweiz ein Interesse an Tiertrophäen besteht, zeigen die Zahlen der Datenbank des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES, das den internationalen Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten regelt. Insgesamt wurden in der Schweiz im Zeitraum von 2010 bis 2019 Trophäen von 499 Tieren importiert. Gesamthaft waren es 3'185 Trophäen von Tieren gefährdeter oder stark bedrohter Arten, weil pro Tier mehr als nur eine Trophäe anfällt. Diese Einfuhren sind mit dem Vorliegen der notwendigen Papiere legal, auch wenn sie aus Jagden stammen, die nicht schweizerischen Massstäben für Tierschutz und Ethik entsprechen.
«Während die ausländischen Anbieter der sog. Jagdsafaris pro Schuss oftmals mehrere tausend Dollar verdienen, profitiert die lokale Bevölkerung meist gar nicht von diesem höchst fragwürdigen Tourismus,» sagt Konyo.
Entscheid für lebendige Wildtiere statt staubige Tiertrophäen
Bei der Trophäenjagd liegt der Fokus auf dem Töten von Tieren mit besonders imposanten Stosszähnen, Hörnern oder Fellen. Die genannten Trophäen werden sodann oftmals als Statussymbol und Beweis des Jagderfolgs zur Schau gestellt. Dies geschieht ohne jegliche Notwendigkeit, sondern ausschliesslich als Freizeitspass für eine gut situierte Elite. Dabei gehen vor allem Tiere verloren, die für die Erhaltung ihrer Population besondere Bedeutung haben.
Der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) warnte 2021, dass rund eine Million wild lebender Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind - mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die direkte Ausbeutung, einschliesslich der Jagd, identifiziert der IPBES als einer der Treiber dieses Biodiversitätsverlusts und stellt eine zusätzliche Gefahr für Tierarten dar, die ohnehin bereits um ihr Überleben kämpfen.
«Das
Anliegen hat dringende Relevanz, gerade für den Eisbären, dem der
Lebensraum wegschmilzt. Auch wenn die Anzahl der Eisbär-Trophäen, die in
die Schweiz gelangen, gering ist: Während der Klimawandel eine kaum
lösbare Bedrohung für viele der Tiere darstellt, wäre ein Importverbot
eine einfache Lösung, Druck auf die Einstellung der Jagd durch
Trophäenjäger zu machen. Jeder Abschuss ist einer zu viel. Ohne Trophäe
verliert die Grosswildjagd ihren Reiz,» sagt McLellan.
Andere Länder haben bereits gehandelt
Frankreich
erliess im Jahr 2015 ein Importverbot von Löwentrophäen und die
Niederlande verbot im Jahr 2016 Trophäenimporte von über 200 Arten. Auch
England ist seit Dezember 2021 bereit, den Import von Trophäen zu
beenden, Belgien legte im Oktober 2020 einen Gesetzesentwurf
diesbezüglich vor und im März 2021 reichte das finnische Parlament einen
Antrag für ein Trophäenimportverbot ein.
Weitere Informationen
- Offener Brief an den Ständerat: "Stoppen Sie die Einfuhr von Jagdtrophäen in die Schweiz!" Deutsch / Französisch
- TIR-Info-Flyer 57: Nein zum Import von Jagdtrophäen
- Factsheet zur Trophäenjagd in Deutsch / Französisch
- TIR-Information "Trophäenjagd"
- Ergebnisse Umfrage der gfs-zürich zur Trophäenjagd in Deutsch / Französisch
- SonntagsZeitung vom 22.5.2022: Schweizer auf Trophäenjagd