Tierversuchsstatistik 2015 – beschönigende Darstellung des BLV
Am 11. August hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Tierversuchsstatistik für das Jahr 2015 veröffentlicht. Insgesamt wurden in der Schweiz im letzten Jahr 682'333 Tiere in Versuchen eingesetzt, was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 75'828 Tieren beziehungsweise 12.5 % entspricht. Nach Ansicht der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) stellt das BLV die Situation in seiner Medienmitteilung stark verharmlosend dar.
23.08.2016
Weiter betont das BLV, dass bei den meisten Versuchstieren "keine Belastung" auftreten würde respektive dass über drei Viertel der Tiere in nicht oder wenig belastenden Versuchen eingesetzt würden. Tatsächlich werden Tierversuche in vier Schweregrade (SG) von 0 bis 3 eingeteilt, wobei SG-0-Versuche als nicht belastend gelten. Was das BLV in seiner Medienmitteilung jedoch nicht erwähnt, ist, dass die betroffenen Tiere auch bei sogenannt nicht belastenden Versuchen oftmals getötet werden. So wird auch die Tötung von Tieren zum Zwecke der Organentnahme oder der Sektion als nicht belastender Tierversuch eingestuft. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Schweizer Recht Tieren keinen Lebensschutz zugesteht. Vor dem Hintergrund des in der Schweiz sowohl auf Verfassungs- als auch auf Gesetzesstufe verankerten Schutzes der Tierwürde handelt es sich hierbei freilich um eine äusserst fragwürdige Auslegung des geltenden Rechts.
Ausserdem verschweigt die Medienmitteilung, dass die Versuchstierzahl 2015 in sämtlichen Schweregradstufen angestiegen ist. So wurden auch 14'235 Tiere (+ 15.9 %) in schwerstbelastenden Experimenten und 143'317 Tiere (+ 14.7 %) in Versuchen mittleren Belastungsgrads eingesetzt.
Zu kritisieren ist zudem, dass die Statistik wenig aussagekräftig oder sogar verwirrend ist. So beinhaltet sie etwa eine Aufteilung der Versuchstierzahl nach Verwendungszweck. Aufgrund der Medienmitteilung, die Verhaltensstudien und Artenschutzprojekte mit jeweils hohen Tierzahlen als einen der Hauptgründe für die Zunahme der Gesamttierzahl bezeichnet, wäre eigentlich ein starker Anstieg der Anzahl eingesetzter Tiere in der Kategorie "Forschung für Mensch, Tier und Umwelt" zu erwarten.
Letztlich fällt auf, dass das BLV die Kompetenz der Tierschutzvertreter in den Tierversuchskommissionen im Hinblick auf die Beurteilung von Tierversuchsgesuchen weniger hoch einzuschätzen scheint als jene der übrigen Kommissionsmitglieder. So ist auch in der aktuellen Medienmitteilung davon die Rede, dass die kantonalen Tierversuchskommissionen "aus Spezialisten und Tierschützern" bestünden. Solche Formulierungen erwecken den Eindruck, als seien die Einschätzungen der Tierschutzvertreter weniger fundiert als jene ihrer Kollegen. Tatsächlich handelt es sich bei den Tierschutzvertretern in den Tierversuchskommissionen aber um Spezialisten aus den verschiedensten Fachrichtungen – etwa der Veterinärmedizin, der Biologie oder der Rechtswissenschaft – die zur Vornahme der vorgeschriebenen Güterabwägung (Nutzen des Versuchs vs. Belastung der Tiere) keineswegs weniger qualifiziert sind als die Vertreter der Forschungsseite.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das BLV in seiner Medienmitteilung die Tierversuchsstatistik stark beschönigend darstellt und die Statistik selbst – nicht nur für Laien – teilweise schwer zu interpretieren ist. Vom BLV darf nach Ansicht der TIR eine transparentere und offenere Wiedergabe der Tierversuchssituation in der Schweiz erwartet werden. Schliesslich kann sich nur auf diese Weise eine fundierte gesellschaftliche Diskussion über den Nutzen und die ethische Vertretbarkeit von Tierversuchen entwickeln. Zudem erachtet es die TIR als Aufgabe des BLV, diesen sensiblen Tierschutzbereich kritisch zu überwachen, die Schwachstellen in Gesetzgebung und Vollzug aufzudecken und die geeigneten Massnahmen zur Behebung der bestehenden Mängel zu ergreifen.