TIR verschafft den Anliegen von Pferden Gehör
Rund 112'500 Pferde leben in Schweizer Stallungen. Weil Pferde still leiden, bedarf die Beurteilung ihres Wohlergehens stets genauer Betrachtung. Systematische Fehler im Rahmen von Haltung und Umgang mit Pferden gilt es jedoch rechtlich zu beseitigen. Diese Aufgabe hat Nationalrätin Meret Schneider (GPS/ZH) in der vergangenen Herbstsession übernommen und zwei entsprechende Vorstösse im Parlament eingereicht. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat hierzu die Grundlagen geliefert.
13.10.2021
Sowohl die Haltung von Pferden als auch ihre Nutzung – etwa als Sport- oder Arbeitspferde – kann mit schweren Belastungen einhergehen. Falsche Ernährung, unzureichende Pflege, Bewegungsmangel, Langeweile und Unterforderung gehören ebenso zu den verbreiteten Problemen der Pferdehaltung wie physische oder psychische Überforderung und aktive Schmerz- und Leidenszufügung, namentlich im Rahmen sportlicher Veranstaltungen. Dies betrifft sowohl den Freizeit- als auch den Leistungssportbereich.
Die Beurteilung von Leiden bei Pferden ist nicht immer einfach. Ein aktueller Fall aus dem Profi-Pferdesport zeigt eindrücklich, wie mitunter sogar verbotene Hilfsmittel skrupellos eingesetzt werden: Im Mai 2021 verwendete ein deutsch-ukrainischer Reiter an einem Turnier in der Slowakei spitze Gegenstände, versteckt in den dem Tier angelegten Gamaschen, um sein Pferd durch gezielte Schmerzzufügung zu höheren Sprüngen zu animieren. Das Pferd zeigte keine sichtbaren Zeichen von Misshandlung und sei auch nicht aussergewöhnlich empfindlich gewesen. Dies, obschon die scharfen Stacheln in der Gamasche so angebracht waren, dass sie Druck auf das Röhrbein und im Falle eines Anschlagens an eine Stange gemäss Einschätzung der Kontrolleure vor Ort "exzessiven Schmerz und Unwohlsein" verursachten.
Wegen ihres fehlenden Schmerzlauts leiden Pferde still. Es bedarf grossen Fachwissens, um ihre Mimik, Gestik, Körpersprache und allfällige Verhaltensänderungen richtig zu deuten und Schmerzen oder Leiden zu erkennen. Es ist somit von besonderer Bedeutung, Fehler im Umgang mit ihnen von vornherein zu vermeiden. Nationalrätin Meret Schneider fordert daher in einer Motion ein Verbot von Hilfsmitteln und Methoden, die bei Tieren der Pferdegattung (Equiden) zu ungerechtfertigten Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängsten führen können. Durch die aktuelle Tierschutzverordnung bereits untersagt ist etwa das Coupieren der Schwanzrübe, das Antreiben oder Bestrafen mit elektrisierenden Geräten, der sportliche Einsatz von Equiden mit durchtrennten oder unempfindlich gemachten Beinnerven, mit überempfindlich gemachter Haut an den Gliedmassen oder mit an den Gliedmassen angebrachten schmerzverursachenden Hilfsmitteln, das Entfernen der Tasthaare, das Anbinden der Zunge, das sogenannte Barren – bspw. durch Anheben der Stange beim Überspringen eines Hindernisses – und die Rollkur (auch "Hyperflexion" genannt), was einem unnatürlichen Herunterziehen des Pferdekopfes bis hin zur Brust durch Arbeit an den Zügeln entspricht.
Die Gefahr, dass Hilfsmittel nicht fachgerecht eingesetzt werden, ist besonders gross, weil weder für die Haltung noch für den Umgang mit Equiden eine generelle gesetzliche Ausbildungspflicht besteht. Hilfsmittel und Methoden, die darauf ausgerichtet sind, natürliches Verhalten von Pferden zwecks Leistungssteigerung zu unterbinden oder ihnen Schmerzen und Leiden zuzufügen, sind daher durch die Gesetzgebung zu unterbinden und im Widerhandlungsfall zu sanktionieren. Die TIR hat eine Reihe von Hilfsmitteln und Methoden identifiziert, bei denen potenzielle Tierschutzwidrigkeiten auf der Hand liegen, weshalb sie zusätzlich zu den bestehenden Einschränkungen ausnahmslos zu verbieten sind. Es handelt sich dabei namentlich um die Kombination von Hebelgebissen mit Sperrriemen, Kappzäume und Nasenbügel aus Metall, Zungenstrecker, Draht- und Kettengebisse sowie den Einsatz von Aufsatzzügeln (Overcheck) im Trabrennsport, die das Pferd ähnlich wie bei der Rollkur in eine unnatürliche Kopfhaltung zwingen.
In einer zweiten Motion fordert Meret Schneider eine konsequente Ausbildungspflicht für alle Pferdehaltenden, unabhängig von der Anzahl gehaltener Tiere. Aktuell besteht eine Ausbildungspflicht erst ab fünf Tieren, wobei von der Mutter abhängige Fohlen nicht mitgezählt werden. Angesichts der anspruchsvollen Haltung dieser sensiblen Tiere und der zahlreichen Fehler, die im Umgang mit ihnen erfahrungsgemäss zu verzeichnen sind, erscheint es als dringend angezeigt, Equidenhaltende bereits ab dem ersten Tier einer Ausbildungspflicht zu unterstellen.
Die TIR hofft nun auf Erfolg der beiden wichtigen Vorstösse im Parlament. Ein weiterer aktueller Vorstoss von Meret Schneider betrifft den Import von Gelatine, die für Anwendungen der traditionellen chinesischen Medizin aus Eselhäuten erzeugt wird. Im Rahmen der Haltung, des Transports und der Schlachtung der betroffenen Tiere werden seit Jahren gravierende Tierquälereien dokumentiert. Meret Schneider ist eine der wenigen Mitglieder des Parlaments, die sich konsequent für einen besseren rechtlichen Schutz von Tieren engagieren. Wir danken ihr für diesen ausserordentlichen Einsatz!