TIR empfiehlt 2x JA zu den Agrarinitiativen
Am 13. Juni 2021 stimmt die Schweizer Bevölkerung über die beiden Eidgenössischen Volksinitiativen "Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz" und "Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide" ab. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) empfiehlt beide Initiativen zur Annahme.
12.05.2021
Während die Politik indessen wichtige Anpassungen im landwirtschaftlichen Direktzahlungssystem verzögert, so etwa durch die zweifelhafte Sistierung der Diskussion über die Agrarpolitik 22+ und durch die Weigerung, die richtigen Impulse in der Handels- und Importpolitik zu setzen, haben private Kreise längst entschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. In den vergangenen Jahren sind bereits mehrere Volksinitiativen für einen nachhaltigeren Umgang im Bereich der Agrarwirtschaft lanciert worden. Aktuell stehen die Trinkwasserinitiative und die Pestizidinitiative kurz vor der Abstimmung. Wie immer im Abstimmungskampf ist auch vorliegend Vorsicht im Umgang mit Argumenten pro und contra die Initiativen geboten.
Für Tierfreunde verwirrlich ist der Umstand, dass Befürworter ebenso wie Gegner mit dem Tierwohl und mit Umweltschutz argumentieren. Weniger Erträge und erschwerte Bedingungen für Schweizer Bauern sollen gemäss Gegnern zu erhöhten Importen und somit zu einer höheren Umweltbelastung und zu niedrigeren Tierschutzstandards führen. Tierärzte befürchten zuweilen eine schlechtere Versorgung landwirtschaftlicher Nutztiere mit Tierarzneimitteln. Es handelt sich hierbei jedoch um die klassischen Verteidigungsargumente, die immer dann zu hören sind, wenn Verbesserungen angestrebt werden.
Aus Tierschutzsicht steht fest: Die beiden Initiativen setzen ein wichtiges Zeichen für Natur, Tier und Mensch, denn die Landwirtschaft hat sich mit Unterstützung der Gesellschaft in eine Richtung entwickelt, die an Lebensfeindlichkeit kaum mehr zu übertreffen ist. Von "extremen" Initiativen kann keine Rede sein: Beide Initiativen verlangen lediglich einen respektvollen Umgang mit der Natur. Einen Umgang also, der sowohl aus menschlichem Eigeninteresse als auch mit Blick auf die verfassungsrechtlich verankerte Verantwortung für die Schöpfung und die Würde der Kreatur selbstverständlich sein sollte. Dass diese simple Forderung einschneidende Massnahmen zur Folge hat, zeigt indessen nur, wie sehr wir uns von diesen Grundsätzen bereits entfernt haben und wie dringend notwendig ein Paradigmenwechsel erscheint.
Weil jede Initiative unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und in Harmonisierung mit anderen Verfassungszielen umzusetzen ist, muss auch dem befürchteten Szenario des Bauernsterbens entschieden entgegengetreten werden. Zwar enthält die Trinkwasserinitiative selbst keine ausdrückliche Verpflichtung zur Importregulierung im Sinne des neuen Verfassungsartikels. Der Bund ist aber auch nach Annahme der Trinkwasserinitiative weiterhin zur Erhaltung der Landwirtschaft und der Ernährungssicherheit durch einheimische Produktion verpflichtet. Folglich wäre der Bund angehalten, auch den Import im Sinne der Trinkwasserinitiative zu regulieren und die inländische Produktion entsprechend zu fördern.
Ein deutlich geringerer Antibiotika- und Pestizideinsatz, kleinere Tierbestände und weniger Futtermittelimporte führen insgesamt zu bedeutenden Vorteilen für Tiere und Pflanzen aller Art. Schwerstbelastende Tierversuche für Pestizide erübrigen sich, Insekten und Kleinstlebewesen erhalten wieder mehr Lebensraum, schädigende Klimagase werden drastisch verringert und die menschliche Gesundheit profitiert nicht zuletzt von saubererem Trinkwasser und reduzierter Gefahr von Antibiotikaresistenzen.
Während die Pestizidinitiative auf klare Verbote setzt, fordert die Trinkwasserinitiative eine Steuerung über Direktzahlungen. Weil beide Initiativen ihre Vor- und Nachteile aufweisen, ist es aus Sicht der TIR wichtig, beiden Vorlagen zuzustimmen. In der Umsetzung werden Volksinitiativen regelmässig relativiert und kaum je in letzter Konsequenz implementiert. Besondere Bedeutung kommt deshalb der Signalwirkung zu, die mit den beiden Initiativen einhergeht. Wir bitten alle Tierfreunde, den wichtigen Anliegen dieser beiden Initiativen zuzustimmen.
Weitere Informationen
- Initiative für sauberes Trinkwasser, Website des Initiativkomitees
- Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide, Website des Initiativkomitees
- Medienmitteilung des Tierschutzkomitees für die Agrarinitiativen unter Federführung des Dachverbands Berner Tierschutzorganisationen
- Stellungnahme 4Aqua, Expertenplattform für Wasserqualität
- Stellungnahme Swissveg