Menschliche Umgangsweise mit Tieren begünstigt die Übertragung von Erregern wie SARS-CoV-2
Obwohl noch nicht mit Sicherheit festgestellt wurde, wo das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 genau seinen Ursprung nahm, sind sich Wissenschaftler einig, dass es von Fledermäusen abstammt und entweder direkt oder indirekt durch eine andere Tierart auf den Menschen übertragen wurde. Der menschliche Umgang mit Wildtieren wird dabei als wesentlicher Faktor zur Begünstigung solcher Übertragungen beschrieben. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) setzt sich deshalb auch in der Coronakrise weiterhin für den Schutz von Wildtieren ein.
20.04.2020
Hierbei stützt man sich einerseits auf Untersuchungen des Genoms von SARS-CoV-2. Dieses weist eine grosse Ähnlichkeit mit anderen Coronaviren in Fledermäusen auf; in einer von der Fledermausart Rhinolophus affinis entnommenen Probe aus der chinesischen Provinz Yunan wurde gar eine Genomsequenz eines Coronavirus, die zu 96% mit der von SARS-CoV-2 identisch ist, festgestellt. Andererseits weisen die Untersuchungen früherer Ausbrüche zoonotischer Coronaviren ebenfalls auf Fledermäuse als Ausgangspunkt hin. Exemplarisch wird oft SARS-CoV-1 erwähnt, das von Fledermäusen über die Zibetkatze als Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde und 2002-2004 eine Epidemie verursachte.
Die zoonotischen Eigenschaften des Virus sind daher unbestritten. Noch nicht geklärt ist allerdings der genaue örtliche Ursprung resp. die Frage, wo die erstmalige Übertragung des Virus von Tieren auf den Menschen stattgefunden hat. Bis anhin wurde der Huanan Seafood Market in Wuhan, China, als Ursprungsort angesehen, da 66% der ersten wegen COVID-19 hospitalisierten Personen diesen Markt besucht hatten. Später wurde in einer Untersuchung des Wuhan Spitals jedoch festgestellt, dass die erste erkrankte Person sich wahrscheinlich bereits im November 2019 angesteckt und den Markt nicht besucht hatte. Dennoch besteht eine offensichtliche Verbindung zum Huanan Seafood Market, zumal im Marktumfeld genetisches Material von SARS-CoV-2 gefunden wurde und auch die Vielzahl der Personen mit ersten Krankheitssymptomen auf einen Zusammenhang mit dem Markt hindeuten.
Unabhängig davon, wo konkret der Sprung der Zoonose SARS-CoV-2 vom Tier auf den Menschen erfolgt ist – möglicherweise auch an mehreren Orten – sind sich Wissenschaftler einig, dass menschliche Handlungsweisen solche Übertragungen auslösen oder zumindest begünstigen. Aufgrund der weltweiten Bevölkerungszunahme und -migration erfahren immer mehr Tierarten einen dramatischen Lebensraumverlust, überdies bewegen sich die Menschen zunehmend in zuvor unberührten Naturgebieten. Ein vermehrter Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren ist damit unvermeidbar.
Als primärer Übertragungsweg für zoonotische Krankheiten gilt im Weiteren die Buschfleischjagd, da hierbei wiederum eine intensive Interaktion von Menschen mit Wildtieren stattfindet. Ebenso stehen Tierprodukte der traditionellen chinesischen Medizin in Verdacht, Zoonosen zu begünstigen. Sie werden als angebliche Heilmittel für eine Vielzahl von Krankheiten wie Arthritis, Epilepsie und erektile Dysfunktion – und aktuell sogar für die Bekämpfung des SARS-CoV-2 – angeboten. Obwohl für die meisten Heilversprechen keine wissenschaftlichen Nachweise vorliegen, werden für den asiatischen Markt unzählige Tiger, Schuppentiere, Bären, Nashörner und Tiere aller Art legal gejagt, illegal gewildert oder unter zumeist höchst problematischen Bedingungen gezüchtet und getötet, um ihre Körperteile zweifelhaften Medikamenten beizumischen. Auch diese Art der Tier-Mensch-Interaktion bietet erhebliches Potenzial für die Krankheitsübertragung.
Aus diesen Erkenntnissen kann nur geschlossen werden, dass die riskanten Kontaktpunkte zwischen Menschen und Wildtieren dringend verringert werden müssen, um weitere Erreger wie das SARS-CoV-2 in der Übertragung zu stoppen und erneute Epidemien oder Pandemien zu verhindern. Es liegt somit im wesentlichen Interesse des Schutzes der menschlichen Gesundheit, die Bedürfnisse von Tieren zu respektieren. Angesprochen ist hiermit auch die industrielle Nutztierhaltung, die das Ausbreiten zoonotischer Erkrankungen durch Massentierhaltung und einseitige Leistungszucht ebenfalls nachweislich begünstigt.
Mit der Art und Weise der Produktion tierischer Erzeugnisse sowie der Nachfrage nach entsprechenden Importwaren steht auch die Schweiz unmittelbar in der Verantwortung. Eine positive Mensch-Tier-Beziehung, die auf der Achtung des Eigenwerts aller Kreaturen basiert, ist daher auch von Parlament, Regierung und Behörden anzustreben. Die TIR sensibilisiert die Entscheidungspersonen im Hinblick auf ihre Verantwortung und setzt sich überdies im Rahmen ihres "International Wildlife Projects" für den Schutz von Wildtieren in ihren natürlichen Lebensräumen und gegen den florierenden Handel mit Wildtieren ein.