Bundesrat schickt direkten Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)" in die Vernehmlassung
Im vergangenen September wurde die vom Verein Sentience Politics ins Leben gerufene und von zahlreichen Organisationen – unter anderem auch von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) – mitgetragene Volksinitiative "Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)" eingereicht. Diese Woche nun hat der Bundesrat seinen Entwurf für einen direkten Gegenvorschlag in die Vernehmlassung geschickt. Die TIR wird sich mit einer umfassenden Stellungnahme am Vernehmlassungsverfahren beteiligen.
14.08.2020
Die Massentierhaltungsinitiative fordert eine ausdrückliche Verankerung der Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung in der Bundesverfassung. Tiere sollen Anspruch darauf haben, nicht in Massentierhaltung zu leben. Die Initianten definieren die Massentierhaltung als industrielle Tierhaltung zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird. Diese Haltungsformen sind entgegen der weitläufigen Annahme in der Schweiz längst die Norm (siehe die TIR-Newsmeldung vom 21.6.2018).
Am 12. August nun hat der Bundesrat seinen Entwurf für einen direkten Gegenvorschlag veröffentlicht und das entsprechende Vernehmlassungsverfahren eröffnet. Die TIR nimmt erfreut zur Kenntnis, dass er den Handlungsbedarf im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung offenbar erkannt hat. In seinem Vernehmlassungsentwurf nimmt er drei Forderungen der Initianten auf. So sollen die tierfreundliche Unterbringung, der regelmässige Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren in der Verfassung verankert werden.
Entgegen der Initiative will der Bundesrat jedoch nicht die Würde landwirtschaftlicher Tiere, sondern den "Schutz des Wohlergehens" aller Tiere als allgemeinen Grundsatz verfassungsrechtlich verankern.
Zudem verzichtet er auf die Aufnahme der Bio-Suisse-Richtlinien als
Mindeststandard in die Verfassung und die dringend notwendige Begrenzung
der Höchstbestände in Tierhaltungsbetrieben. Ein weiterer wichtiger
Aspekt, der im Gegenvorschlag des Bundesrats nicht berücksichtigt wird,
ist die Regulierung des Imports im Sinne der von der Initiative
verlangten Standards. Die TIR teilt die Ansicht der Initianten, dass eine solche Regulierung
einen zentralen Punkt der Initiative darstellt, da ein Verzicht auf
Importbeschränkungen die Schweizer Landwirtschaft benachteiligen und den
Konsum von billig produzierten tierischen Produkten aus dem Ausland
fördern würde.
Die TIR wird den Entwurf des Bundesrats gründlich
analysieren und im Rahmen der Vernehmlassung eine Stellungnahme zu
diesem einreichen. Darin wird sie auch nochmals darauf hinweisen, dass
die Massentierhaltungsinitiative beziehungsweise deren Forderung nach
deutlich höheren Tierschutzstandards in der landwirtschaftlichen
Tierhaltung einem breit verankerten Willen der Bevölkerung entspricht.