Eierkonsum erneut auf Höchststand – Tierwohl wird wenig Bedeutung zugemessen
Die neuesten Statistiken des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) zum Schweizer Eiermarkt zeigen: Wie schon 2018 stieg auch letztes Jahr der Eierkonsum von Herrn und Frau Schweizer auf einen neuen Höchststand: satte 184.4 Eier wurden 2019 pro Person verzehrt – das ergibt im Schnitt jeden Tag ein halbes Ei. Dass den Tieren dafür Höchstleistungen abverlangt und sie bereits nach kurzer Zeit getötet werden, geht aus den Statistiken indessen nicht hervor.
09.04.2020
Von umfassendem Wohlergehen bei Schweizer Hühnern kann jedoch keine Rede sein. In der industriellen Eierproduktion sind Legehennen nämlich auch in den meisten Freiland- und sogar Biobetrieben nach 12 bis 16 Monaten aufgrund ihrer auf Hochleistung gezüchteten Legeaktivität ausgelaugt und krank. Zudem kommen sie in dieser Zeit in die Mauser, während der die Legeleistung zurückgeht. Wirtschaftlich gesehen verlieren sie in dieser Zeit stark an Rentabilität, weshalb die Tiere entsorgt und durch Jungtiere ersetzt werden.
Auch werden im Rahmen der Eierproduktion nach wie vor allein in der Schweiz jedes Jahr über zwei Millionen männliche Küken an ihrem ersten Lebenstag als "industrieller Abfall" vernichtet, weil sie keine Eier legen und für die Produzenten somit wertlos sind. Da die einseitig auf höchste Legeleistung gezüchteten Tiere nur wenig Fleisch ansetzen, sind sie auch für die Mast nicht interessant. Das Töten durch Schreddern (auch "Homogenisieren" genannt) wurde per 1. Januar 2020 in der Schweiz verboten, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass verstümmelte Tiere überleben und in der Folge qualvoll verenden. Weiterhin erlaubt bleibt hingegen das hinsichtlich seiner Tierschutzkonformität ebenfalls höchst umstrittene Vergasen der Tiere. Es handelt sich hierbei um die hierzulande am häufigsten angewandte Methode zum Töten von Küken.
Auch den Tieren in der Geflügelfleischherstellung ergeht es nicht besser. Ein 2019 von der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) veröffentlichtes Gutachten zeigt auf, dass Masthuhnhaltungen unter dem Tierwohlprogramm "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS)" in krasser Weise gegen die Grundsätze des Tierschutzgesetzes verstossen – und doch legal sind. In ihrem nur rund 35 Tage dauernden Leben erleiden die Tiere aufgrund der einseitigen Zuchtausprägung und der Haltungsbedingungen schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Atembeschwerden, Fussballenverätzungen und Beindeformationen.
Obwohl "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme" nicht einmal die grundlegendsten Bedürfnisse von Hühnern zu befriedigen vermögen, erhalten BTS-Betriebe staatliche Fördermittel für besondere Tierwohlleistungen. Hinzu kommt, dass der Begriff BTS bei der Vermarktung sogar zur Positivdeklaration entsprechender Produkte verwendet werden darf. Konsumentinnen und Konsumenten bezahlen im Glauben, besonders tierfreundlich hergestellte Fleischwaren zu erwerben, einen höheren Preis und werden so in die Irre geführt. Somit zeigt der als 1. April-Scherz gedachte Artikel in der Bauernzeitung annähernd die bedauerlichen Zustände in der üblichen Schweizer Geflügelmastproduktion auf. Dies gilt zwar nicht in Bezug auf die im Beitrag angesprochene permanente Dunkelhaltung, jedoch hinsichtlich der Massentierhaltung in engen, kaum strukturierten Hallen, die das Ausleben natürlicher Verhaltensweisen weitestgehend verunmöglichen.
Der
Konsum tierischer Produkte wie etwa Fleisch, Eier, Milch und Honig ist
zwangsläufig mit Kompromissen zulasten des Tierwohls verbunden. Wie weit
diese gehen, bestimmt meist der Preis. Es ist an der Zeit umzudenken
und den viel gelobten Schweizer Mindeststandard deutlich anzuheben – er
hält einer Prüfung der Achtung der Tierwürde nämlich in keiner Weise
stand. Die TIR setzt sich für Verbesserungen des rechtlichen Schutzes
von Tieren und für einen konsequenten Vollzug ein. Sie ist aber auch
bestrebt, Konsumentinnen und Konsumenten über die Lebensbedingungen der
Tiere aufzuklären und ihnen so eine fundierte Entscheidung in Bezug auf
den Kauf tierischer Produkte zu ermöglichen.