TIR reicht Stellungnahmen zu Änderungen im Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Umweltrecht ein
Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) unterbreitete diesen Frühling interessierten Kreisen diverse Revisionen von Verordnungen im Lebensmittelrecht sowie eine Änderung des Umweltschutzgesetzes zur Stellungnahme. Gleichzeitig eröffnete der Nationalrat eine Vernehmlassung über die Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) reichte vergangene Woche ihre Stellungnahmen mit kritischen Anmerkungen und Gegenvorschlägen ein.
28.08.2019
Im Lebensmittelrecht werden
gleich mehrere Verordnungen revidiert. Die TIR begrüsst grundsätzlich
die im Rahmen der Verordnung über das Schlachten und die
Fleischkontrolle (VSFK) neu vorgesehene Zulassung der Hof- und
Weideschlachtungen. Im Vergleich zur konventionellen Schlachtung, bei
der Tiere aus unterschiedlichen Haltungsbetrieben in einen Schlachthof
transportiert werden, werden die Tiere bei der Weideschlachtung direkt
auf dem Betrieb und somit in ihrer gewohnten Umgebung geschlachtet.
Damit kann ihnen viel Stress, Angst und Leiden, die mit der
konventionellen Schlachtung und dem dazugehörigen Transport einhergehen,
erspart werden. Auch die Hofschlachtung vermindert wesentliche
Belastungen, die mit der Schlachtung in Sammelbetrieben zusammenhängen.
Beide Schlachtmethoden sollten nur unter hohen Auflagen und unter
strenger Aufsicht bewilligt werden. Der Verordnungsentwurf des
Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) regelt
allerdings weder die zwingend notwendige Betäubungskontrolle noch die
Entblutung der Tiere, was aus Tierschutzsicht zu kritisieren ist.
Als
problematisch erachtet die TIR zudem den im Rahmen von konventionellen
Schlachtungen geplanten Verzicht auf die Anwesenheit eines amtlichen
Tierarztes in kleinen und mittleren Schlachtbetrieben. Gemäss Angaben
der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette (BLK), die sich auf eine
schweizweite Schlachthof- Erhebung in den Jahren 2018 und 2019 stützt,
treten in kleineren und mittleren Schlachtbetrieben vermehrt Mängel auf,
was auf eine im Vergleich zu grösseren Betrieben geringere Überwachung
und weniger gut geschultes Personal zurückgeführt wurde. Auch die 2018
in diversen Westschweizer Schlachthöfen aufgedeckten groben Verstösse
gegen die Tierschutzgesetzgebung (vgl. TIR-Newsmeldung vom 15. Oktober
2018) verdeutlichen, dass die Einhaltung der relevanten Vorschriften
auch in kleineren Betrieben nicht per se sichergestellt ist. Deshalb
weist die TIR in ihrer Stellungnahme speziell auf die zwingend
notwendige behördliche Überwachung hin.
Die
TIR begrüsst die geplante Vereinfachung des Inverkehrbringens von Milch
aus muttergebundener Kälberaufzucht durch entsprechende Anpassung der
Verordnung über Lebensmittel tierischer Herkunft (VLtH). Milch aus
mutter- oder ammengebundener Kälberaufzucht (MAGKA) unterlag aufgrund
der veralteten und unklaren Definition von Milch in der VLtH bislang
einer rechtlichen Unsicherheit, die interessierte
Landwirtschaftsbetriebe davon abhielt, auf diese tierfreundlichere
Produktionsform umzusteigen oder ihre auf diese Weise erzeugte Milch
entsprechend zu vermarkten. Tierfreundliche und die Würde von Tieren
achtende Herstellungsmethoden entsprechen nachweislich einem
Konsumentenbedürfnis. Dabei ist die direkt muttergebundene
Kälberaufzucht (MGKA) gegenüber Formen, die Ammentiere einsetzen (AGKA),
aus Sicht des Tierschutzes zu bevorzugen. In diesem Sinne plädiert die
TIR dafür, nicht nur die rechtliche Benachteiligung der MGKA gegenüber
Milch aus "mutterloser Produktion" zu eliminieren, sondern diese
Produktionsform im Rahmen von Tierwohlprogrammen aktiv zu fördern.
Als positiv erachtet die TIR ausserdem die im Rahmen der Revision der Verordnung über den nationalen Kontrollplan (NKPV) vorgesehene Einführung einer Mindestanzahl unangemeldeter Kontrollen von Nutztierhaltungen.
Die TIR begrüsst die geplante Einführung einer Deklarationspflicht für Produkte, die unter Anwendung von in der Schweiz verbotenen Produktionsmethoden hergestellt wurden. Die Deklarationspflicht soll gemäss Verordnungsentwurf jedoch nur bei Erzeugnissen aus Hauskaninchen gelten, wenn sie "aus in der Schweiz nicht zugelassener Haltungsform" stammen. Es ist nach Ansicht der TIR nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Deklarationspflicht auf diese Tierart und entsprechende Haltungsformen beschränken soll.
Änderungen im Umweltschutzgesetz
Aus dem Entwurf zum neuen Umweltschutzgesetz (USG) geht hervor, dass bei Tierarten, die als besonders invasiv gelten, die Tilgung oberstes Bekämpfungsziel sein soll. In ihrer Stellungnahme zeigt die TIR auf, dass ein solches Vorgehen gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit verstossen würde, weil von vornherein das Vorhandensein milderer Mittel verneint wird.
Änderungen im Landwirtschaftsgesetz
Eine weitere Vernehmlassung betrifft die Ausdehnung der Deklarationspflicht auf das in die Schweiz importierte Koscher- und Halalfleisch. Dieses wird vorwiegend über die für die jüdische und islamische Gemeinschaft bestimmten vergünstigten Zollkontingente aus dem Ausland importiert. In diesem Rahmen soll die bisherige Deklaration ausgeweitet werden: alle Verkaufsstellen, inklusive Gastronomie-Betriebe, sollen entsprechende Erzeugnisse künftig deklarieren, was aus Sicht der TIR positiv zu bewerten ist. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb die Deklarationspflicht nicht auch für das Koscher- und Halalfleisch gelten soll, das über die Zollkontingente für konventionell bzw. entsprechend den Schweizer Vorschriften geschlachtetes Fleisch eingeführt wird. Die TIR kritisiert diese geplante Regelung und betont in ihrer Stellungnahme, dass die Rückverfolgbarkeit von tierischen Produkten, insbesondere von Fleisch, aus tierschutzrechtlichen Gründen zwingend zu gewährleisten ist, um den Konsumenten in jedem Fall eine sachgerechte Kaufentscheidung zu ermöglichen.