Mängel im Tierschutzvollzug: Offener Brief an Bundesrat Alain Berset
Die Tierschutzvorfälle in Hefenhofen haben erneut aufgezeigt, dass beim Vollzug des Tierschutzrechts immer noch gravierende Mängel bestehen. Das Tierschutzgesetz wird nicht oder nur lückenhaft vollzogen. Dies obwohl das Gesetz den zuständigen Behörden einen weitgehenden Handlungsspielraum zur Verfügung stellt.
29.08.2017
Das Schweizer Tierschutzgesetz schützt nicht nur die Würde und das Wohlergehen von Tieren, es stellt den für den Vollzug zuständigen Behörden auch eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit denen die tierschutzrechtlichen Bestimmungen in der Praxis durchgesetzt werden können. Dass diese Mittel teilweise gar nicht oder nicht adäquat zum Einsatz gelangen, hat sich in Rahmen der tragischen Vorfälle in Hefenhofen erneut gezeigt. Seit Jahren macht die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) auf die Vollzugsmängel im Tierschutzrecht und die unterschiedliche kantonale Umsetzung der Tierschutzstrafbestimmungen aufmerksam. Ausführliche Informationen dazu finden Sie in unserer jährlichen Straffall-Analyse.
Zuständig für die Umsetzung des Tierschutzgesetzes sind gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Tierschutzgesetz (TSchG) die Kantone. Sie errichten je eine Fachstelle unter der Verantwortung der Kantonstierärztin oder des Kantonstierarztes, die geeignet ist, den Vollzug des Gesetzes und der gestützt darauf erlassenen Vorschriften sicherzustellen (Art. 33 TSchG). Damit liegt es grundsätzlich in der Verantwortung der Kantone und der eigens dafür errichteten Fachstelle, dafür zu sorgen, dass das Tierschutzgesetz entsprechend seinem Wortlaut zur Anwendung gelangt.
Nach Art. 40 TSchG ist das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) für die Oberaufsicht über den Vollzug zuständig. Dem EDI kommt daher die Pflicht zu, den Vollzug durch die Kantone zu überwachen. Zeigen sich bei der Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung Mängel, so steht auch das EDI und damit der Bund in der Pflicht und hat angemessen auf die Situation zu reagieren. Es ist der klare Wille des Gesetzgebers, dass das EDI in letzter Verantwortung dafür sorgt, dass das Tierschutzgesetz von den zuständigen kantonalen Behörden korrekt und konsequent umgesetzt wird.
Tierschutzfälle, wie sie sich in Hefenhofen ereignet haben, betreffen daher sowohl den Zuständigkeitsbereich der Kantone wie auch des Bundes. Bestehen bei der Umsetzung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen gravierende Mängel, steht das EDI ebenfalls in der Verantwortung, diese zu beheben.
Die TIR hat daher in Zusammenarbeit mit den Tierschutzorganisationen VIER PFOTEN und ProTier einen offenen Brief an Bundesrat Alain Berset in seiner Funktion als Vorsteher des EDI verfasst. Darin fordern die Tierschutzorganisationen Herrn Berset auf, dafür zu sorgen, dass das EDI seine im Tierschutzgesetz klar verankerte Aufsichtspflicht über den Tierschutzvollzug wahrnimmt, indem es die bestehenden Mängel analysiert und Verbesserungsvorschläge ausarbeitet.
Das Schreiben wird von 48 Tierschutzorganisationen mitgetragen. Diese grosse Unterstützung zeigt die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Anliegens.
Gemeinsam fordern die unterzeichnenden Tierschutzorganisationen einen konsequenten Tierschutzvollzug und appellieren an die Verantwortung des EDI, seine Aufsichtspflicht im Zusammenhang mit den Vorfällen in Hefenhofen und anderen Vollzugsproblemen wahrzunehmen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Es steht in dessen Letztverantwortung dafür zu sorgen, dass Tiere in der Schweiz so geschützt werden, wie es die Tierschutzbestimmungen vorsehen.
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