TIR erfreut über die neue Verordnung zum Tierschutz beim Züchten
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat gestern in einer Medienmitteilung bekannt gegeben, dass die Verordnung über den Tierschutz beim Züchten am 1. Januar 2015 in Kraft treten wird. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR), die im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens eine umfassende Stellungnahme eingereicht hatte, hofft, dass dem Qualzuchtverbot mit der neuen Verordnung endlich zur Durchsetzung verholfen wird.
09.12.2014
Seit 2008 gilt in der Schweiz ein Qualzuchtverbot, wonach die Zucht weder bei den Elterntieren noch bei den Nachkommen Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen verursachen darf. Da das Qualzuchtverbot bislang nicht umgesetzt worden ist, versucht das BLV nun, diesem Missstand mit einer neuen Verordnung über den Tierschutz beim Züchten Abhilfe zu schaffen. Ein Entwurf für die Amtsverordnung wurde bereits im Frühjahr 2014 publiziert. Aufgrund der zahlreichen Stellungnahmen, die im Vernehmlassungsverfahren eingegangen sind, hat das BLV den Entwurf noch einmal grundsätzlich überarbeitet und dabei unter anderem auch einige Anliegen der TIR aufgenommen.
Wie schon der ursprüngliche Entwurf sieht die Verordnung eine nach der Meinung der TIR sinnvolle Einteilung von Zuchtformen in vier Belastungskategorien vor. Eine leichte Belastung liegt dabei vor, wenn die Merkmale und Symptome durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmässige medizinische Pflegemassnahmen kompensiert werden können. Bei Tieren, die eine mittlere oder starke Belastung aufweisen oder deren Nachkommen eine solche aufweisen könnten, muss vor dem Zuchteinsatz eine Belastungsbeurteilung durch eine Fachperson stattfinden. Die möglichen Merkmale einer solchen Belastung werden in Anhang 2 konkretisiert. Als solche gelten beispielsweise offene Fontanellen, übermässige Faltenbildung, durch die Kopfform bedingte Atembeschwerden oder Geburtsschwierigkeiten sowie belastende Gefiedervarianten bei Vögeln. Tiere mit einer mittleren Belastung dürfen nur zur Zucht eingesetzt werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter jener der Elterntiere liegt. Die betreffenden Züchter müssen ihre Zuchttätigkeit und die Verfolgung des Zuchtziels dokumentieren.
Verboten ist die Zucht von Tieren, wenn die Merkmale nach Anhang 2 bei den Elterntieren oder den Nachkommen zu einer starken Belastung führen, wenn sie also starke oder chronische Schmerzen, eine starke Beeinträchtigung des Allgemeinzustands, der Körperfunktionen oder der Lebensqualität oder eine Entstellung des Äusseren verursachen. Ebenfalls untersagt ist das Züchten mit Tieren, die aufgrund ihres Körperbaus oder ihrer Fähigkeiten nicht tiergerecht gehalten werden können oder nicht in der Lage sind, eine physiologische Körperhaltung einzunehmen, sich artgemäss fortzubewegen oder ohne menschliche Hilfe Nahrung aufzunehmen oder Junge aufzuziehen. Schliesslich ist es auch verboten, Tiere zu verpaaren, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Nachkommen unter Sinnesverlust leiden würden (namentlich Blindheit oder Taubheit) oder wenn aufgrund der anatomischen Verhältnisse Schwergeburten zu erwarten sind.
Diese beiden Verbote dürfte vor allem die reinerbige Verpaarung gewisser
Farbausprägungen (wie des Merle-Faktors) sowie Hunderassen mit hohen
Kaiserschnittraten wie die Englische Bulldogge betreffen. Ganz
grundsätzlich verboten ist letztlich die Zucht von Zwerghunden, die
ausgewachsen weniger als 1500 Gramm wiegen (insbesondere sogenannte Tea
Cup Chihuahuas), Känguru-Katzen, Reptilien mit Enigma-Syndrom,
Tanzmäusen, Goldfischen mit Blasenaugen, Himmelsgucker oder
Teleskopaugen sowie von Rindern der Rasse Blauweisse Belgier in
Reinzucht.
Problematisch ist allerdings, dass auch die neue Verordnung keine
präventive und systematische Kontrolle durch das BLV oder eine
unabhängige kantonale Stelle vorsieht. Die Belastungsbeurteilungen
beispielsweise sollen durch Personen der Privatwirtschaft vorgenommen
werden. Die TIR hatte in ihrer Stellungnahme vorgeschlagen, dass die
Oberaufsicht und Kontrolle beim BLV und bei den kantonalen
Veterinärbehörden liegen sollte. Weiter hatte die TIR die Schaffung
einer Datenbank angeregt, in die sämtliche Zuchttiere – unabhängig von
ihrer Art und Rasse – mit Untersuchungsergebnissen, Stammbaum und
Belastungseinteilung einzutragen gewesen wären. Zu begrüssen wäre es
ausserdem gewesen, wenn die Zuchtorganisationen verpflichtet worden
wären, dem BLV jährlich einen Bericht über den aktuellen Stand der
erblich bedingten Belastungen der Zuchttiere und ihrer Nachkommen sowie
über die Häufigkeit belasteter Individuen einzureichen und dabei
konkrete Massnahmen sowie Rückzüchtungs- und Einkreuzungsprogramme
vorzuschlagen. Ebenfalls diskutiert werden müsste die Möglichkeit der
Aufnahme eines Importverbots von Qualzuchten in die
Tierschutzgesetzgebung.
Trotz dieser Kritikpunkte begrüsst die
TIR grundsätzlich die Verordnung zum Tierschutz beim Züchten und hofft,
dass dem Qualzuchtverbot damit endlich zur Durchsetzung verholfen wird.