TIR kritisiert Handhabung mit Übergangsfristen in den Kantonen
Am 1. September 2013 sind zahlreiche Übergangsfristen der Tierschutzverordnung im Landwirtschaftsbereich abgelaufen. Trotz grosszügiger Zeitbemessung für Anpassungen in der Tierhaltung erfüllen Hunderte von Landwirtschaftsbetrieben die neuen Anforderungen nicht – ohne dass sie dafür sanktioniert werden, wie die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) kritisiert.
10.10.2013
Die 2008 revidierte Tierschutzverordnung hat für diverse Anpassungen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung eine grosszügig bemessene Übergangsfrist von fünf Jahren festgelegt (siehe Newsmeldung vom 5.9.2013). So muss beispielsweise Kälbern erst seit dem 1. September 2013 jederzeit Wasser zur Verfügung stehen – eine Vorschrift, die auch ohne Übergangsfrist umsetzbar gewesen wäre. Grössere bauliche Umstrukturierungen betreffen vorwiegend Stallungen, die bereits vor 1981 – das heisst vor Inkrafttreten der ersten Schweizer Tierschutzgesetzgebung – gebaut wurden.
Dennoch haben in allen Kantonen kurz vor Ablauf der Frist zahlreiche Landwirte Ausnahmegesuche eingereicht. Allein im Kanton Bern gingen 400 Gesuche ein, wobei bislang erst ein Drittel davon bearbeitet werden konnte, alle übrigen sind noch hängig. Dies, obschon die Frist bereits seit über einem Monat abgelaufen ist. Rechtlich gesehen machen sich sämtliche Landwirtschaftsbetriebe, die sich nach dem 1. September 2013 nicht an die aktuellen Vorschriften halten, strafbar und können mit Busse bis zu 20'000 Franken bestraft werden.
Aus Sicht der TIR gibt das Verhalten der kantonalen Behörden in dieser Situation einmal mehr Anlass zur Kritik am schweizerischen Tierschutzvollzug. Die Veterinärdienste haben keinerlei Kompetenz, sich über strafrechtliche Normen hinwegzusetzen und Tierhaltungen, die den Vorschriften widersprechen, zu legalisieren. Vielmehr sind sie gemäss Tierschutzgesetz sogar verpflichtet, Strafanzeige gegen die betreffenden Halter zu erstatten. Lediglich in leichten Fällen dürfen sie hiervon absehen.
In zahlreichen Kantonen beschränken sich die zuständigen
Kantonstierärzte auf verwaltungsrechtliche Massnahmen und
vernachlässigen dabei ihre gesetzliche Anzeigepflicht. Selbst in
künftigen Kontrollen nach Ablauf von inzwischen erteilten
Fristerstreckungen muss gemäss eines Beitrags im Schweizer Bauer vom 9.10.2013 allein "in Extremfällen" mit einer Strafanzeige gerechnet
werden.
Die TIR kritisiert diese rechtlich in keiner Weise
haltbare Handhabung der Tierschutzvorschriften durch die
Veterinärdienste scharf. Die Vernachlässigung wichtiger Pflichten der
kantonalen Vollzugsbehörden geht klar zulasten des Tierwohls, das nach
wie vor zu wenig Beachtung findet.