TIR warnt vor schädlichen Giftstoffen in Düngemitteln
Im Frühjahr diesen Jahres erhielt die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) mehrere Rechtsanfragen bezüglich Vergiftungen von Hunden durch rizinhaltige Düngemittel. In allen Fällen hatten Landwirte bestimmte Düngemittel verwendet, ohne zu wissen, dass diese für Hunde und andere Tiere hochgiftiges Rizinusschrot enthielten.
20.06.2013
Im Rahmen ihres unentgeltlichen Rechtsauskunftsdiensts wurde die TIR dieses Jahr mehrfach auf die Problematik von rizinhaltigen Düngemitteln hingewiesen, die durch verschiedene Landwirte (insbesondere Biobetriebe) aber auch Privatpersonen eingesetzt werden, ohne dass diese Kenntnis von deren giftigen Inhaltsstoffen haben. Die rizinhaltigen Pellets scheinen für viele Hunde und andere Tiere ein leckeres Fressen zu sein, sind aber hochgiftig. Die betroffenen Hunde zeigten kurz nach dem Fressen der Pellets schwere Vergiftungserscheinungen. Ein Gegengift ist nicht bekannt, die Vergiftungen verlaufen in der Regel tödlich.
Rizinusschrot ist ein nähr- beziehungsweise stickstoffhaltiges Substrat, das bei der Herstellung von Rizinusöl entsteht und oft bei Biodüngern eingesetzt wird. Rizin ist dabei einer der giftigsten in der Natur vorkommenden Eiweissstoffe und bringt – einmal in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangt – die kontaminierten Zellen zum Absterben. Da Rizin meist durch versehentlichen Verzehr in den Körper gelangt und somit primär die Organe des Verdauungstrakts angreift, sind die Zellen von Magen, Darm, Leber und Nieren in der Regel am stärksten betroffen. Als Symptome können unter anderem hohes Fieber, Übelkeit, (zum Teil blutiges) Erbrechen, blutiger Durchfall, Mund- und Rachenschleimhautreizungen sowie Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen auftreten. Üblicherweise tritt der Tod als Folge von Kreislaufversagen zwei bis drei Tage nach der Aufnahme des Gifts ein.
Dass in der Schweiz Düngemittel verwendet werden, die solche Giftstoffe enthalten, gibt Anlass zur Besorgnis. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Problem sehr einfach zu lösen wäre: Wird das als Düngemittel eingesetzte Schrot korrekt aufbereitet und auf über 60° Celsius erhitzt, wird das Rizin abgebaut, womit der Dünger gefahrlos eingesetzt werden kann.
Während man in der Schweiz erst jetzt auf die Problematik entsprechender Düngemittel aufmerksam zu werden scheint, handelt es sich in Deutschland seit längerem um ein bekanntes Problem. So wurde beispielsweise bereits im Jahr 2001 der Verkauf eines rizinusschrothaltigen Düngemittels gestoppt, nachdem die Tierärztliche Hochschule Hannover den Verdacht geäussert hatte, dass die bei mehreren Hunden eingetretenen Erkrankungen oder gar Todesfälle durch das im betroffenen Produkt enthaltene Rizinusschrot ausgelöst worden sein könnten. Seit diesem Vorfall sind zahlreiche Meldungen über die behördliche Untersuchung verschiedener Düngemittel in Deutschland bekannt geworden. Hierzulande scheint das Thema sowohl bei den zuständigen kantonalen Stellen als auch bei den Bundesbehörden auf wenig Interesse zu stossen. Dabei ist bis heute unklar, wie viele Rizinvergiftungen in der Schweiz jährlich tatsächlich auftreten, da die betroffenen Hundehalter in vielen Fällen nicht an eine Vergiftung durch Düngemittel denken dürften.
Aus rechtlicher Sicht kann der Einsatz solcher Düngemittel Fragen der
Produktehaftpflicht aufwerfen. Laut einem im Schweizerischen
Produktehaftpflichtgesetz festgehaltenen Grundsatz haftet die
herstellende Person (Herstellerin) für den Schaden, wenn ein
fehlerhaftes Produkt dazu führt, dass eine Sache beschädigt oder
zerstört wird, die nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch
bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwenden worden ist.
Auch wenn Tiere grundsätzlich keine Sachen mehr sind, so gelten auch
sie als beschädigte oder zerstörte Sachen im Sinne des
Produktehaftlichtrechts, wenn privat gehaltene Tiere aufgrund eines
fehlerhaften Produkts eine Vergiftung oder Verletzung davon tragen.
Halter von vergifteten Hunden oder anderen Tieren können damit gegen die
Hersteller der Düngemittel vorgehen. Als Herstellerin gilt dabei jede
natürliche oder juristische Person, die ein End- oder ein Teilprodukt
oder den Grundstoff hergestellt hat und die sich als Herstellerin
ausgibt (z.B. indem sie ihr Warenzeichen oder ein Erkennungszeichen am
Produkt anbringt) oder die ein Produkt im Rahmen ihrer geschäftlichen
Tätigkeit in die Schweiz einführt und vertreibt.
Das
Inverkehrbringen von Düngemitteln ist in der Schweiz speziell
reglementiert. Die Definition, welche Produkte rechtlich als Dünger
gelten, ist in der Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngern
enthalten. Zuständig für die Zulassung von Düngemitteln in der Schweiz
ist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Dabei hängt die
Produktzulassung davon ab, ob aufgrund der Verwendung des jeweiligen
Düngemittels unannehmbare Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt
auftreten respektive die Gesundheit von Menschen und Tieren gefährdet
wird. Das Bundesamt kann in Situationen, die rasches Handeln erfordern,
im Einvernehmen mit den interessierten Stellen die Einfuhr, das
Inverkehrbringen und die Verwendung von Düngern, die die Gesundheit von
Mensch und Tier oder die Umwelt gefährden, verbieten. Bislang scheinen
die Behörden jedoch bei den fraglichen Düngemitteln nicht tätig zu
werden.
Der TIR liegt es am Herzen, Tier- und insbesondere
Hundehalter sowie Landwirte – bis zu einem allfälligen Tätigwerden von
behördlicher Seite – auf das vorliegende Problem hinzuweisen und über
die von entsprechenden Düngemitteln ausgehenden Gefahren zu informieren.
Durch eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit wird es hoffentlich
gelingen, solche Vorfälle künftig zu verhindern und den Einsatz von
giftigen Düngemitteln zu stoppen. Hierfür setzt sich die TIR auch bei
den zuständigen Behörden ein.
Nachtrag vom 21.6.2013: Inzwischen
ist bekannt geworden, dass das BLW den Einsatz entsprechender Produkte
mit sofortiger Wirkung untersagt hat. Die Düngemittelverordnung wird per
1. Januar 2014 entsprechend angepasst.