Revision des Schweizer Tierschutzgesetzes im Nationalrat: Die Stiftung für das Tier im Recht sieht im neuen Gesetzesvorschlag bei gesamthafter Betrachtung keinen echten Fortschritt für die Tiere
Vom 8. bis am 15. Juni 2005 hat der Nationalrat die Revision des eidgenössischen Tierschutzgesetzes beraten. Das Resultat muss aus tierschutzrechtlicher Sicht gesamthaft als ernüchternd bezeichnet werden.
17.06.2005
Wohl sind gewisse Fortschritte für das Tier zu verzeichnen, wenn man die Neuerungen mit dem jetzigen Rechtszustand und mit der Vorlage des Bundes- und des Ständerates vergleicht. So hat der Nationalrat eine Deklarationspflicht von Nahrungsmitteln aus tierischen Produkten beschlossen, was dann einen zusätzlichen Vorteil für Tiere bringt, wenn die Konsumentenschaft über Inhalt und Tragweite angemessen orientiert werden wird. Gestrichen wurde das Beurteilungskriterium der „wirtschaftlichen Tragbarkeit“ beim Festlegen von Mindestanforderungen für die Nutztierhaltung – ein richtiges Signal, dass der Schutz des Tieres dem des Portemonnaies eigentlich vorgehen soll. Mit dem Importverbot von Hunde- und Katzenfellen wurde ebenfalls der Empörung der Bevölkerung über Haltungs- und Tötungsmissständen dieser Tiere namentlich in China Rechnung getragen. Mit der Beschränkung der maximalen Transportdauer von Schlachtvieh auf sechs Stunden werden der Branche kaum spürbare Fesseln angelegt und gewisse Fortschritte für Nutztiere erzielt. Ebenfalls erfreulich ist, dass der Nationalrat die Verjährungsfrist der Strafverfolgung von Übertretungen auf fünf Jahre heraufgesetzt hat (gegenüber den von Bundes- und Ständerat vorgeschlagenen drei Jahren) und dass er der Forderung des Ständerats nach einer allfälligen Verlängerung der Übergangsfrist bis zum Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration bis 2011 nicht zugestimmt hat. Der Eingriff soll daher ab 2009 nur noch unter Narkose möglich sein.
Bereits der Ständerat hat gewisse Fortschritte eingeführt, wie dass eine Vernachlässigung von Tieren bereits strafbar ist, wenn sie nicht „stark“ ist, wie die Aufhebung der Melde- und ihre Überführung in die Bewilligungspflicht von Tierversuchen und die durchgehende Ergänzung der Aus- mit der entsprechenden Weiterbildung von Personen, die mit Tieren umgehen. Auch soll die Verletzung der tierlichen Würde – wenn gleich in sehr unbestimmter Weise – künftig strafbar sein. Zudem sollen schwerstbelastende Tierversuche tendenziell - und in Abwägung mit dem erwarteten Kenntnisgewinn – untersagt sein.
Verpasste Chancen für
einen zeitgemässen und dem deutschsprachigen Ausland angeglichenen
Tierschutz liegen in der Weigerung, einen generellen Schutz des
tierlichen Lebens einzuführen und die ungerechtfertige Tötung von Tieren
zu verbieten. Ebenfalls bleiben wirbellose Tiere vom Grundsatz her
ungeschützt, und wenn der Bundesrat Ausnahmen hiervon vorsieht, steht
nicht die Würde des Wirbellosen im Vordergrund, sondern dessen – nicht
leicht nachzuweisende - „Empfindungsfähigkeit“. Zudem werden
schwerstbelastende Tierversuche nicht ausdrücklich untersagt und wird
die Zoophilie, d.h. der geschlechtliche Umgang mit Tieren, auch künftig
nicht explizit unter den Strafbestimmungen verboten. Besonders bedeutend
ist vor allem auch das Nein des Parlaments zur gesamtschweizerischen
Einführung von Tieranwältinnen und Tieranwälten, die aufgrund der im
Kanton Zürich bereits seit 1992 gemachten Erfahrungen einen besseren
Vollzug des Tierschutzrechts garantieren.
Mit ihrer Datenbank kann die Stiftung für das Tier im Recht nachweisen, dass Tierschutzdelikte in einigen Kantonen nur selten oder überhaupt nicht verfolgt und geahndet werden. Mit dem Einsatz von Tieranwälten oder vergleichbaren Instituten hätte man dem diesbezüglichen Vollzugsdefizit mit Sicherheit effektiv entgegen treten können.