Medienmitteilung: Parlament lehnt Petition für eine Kastrationspflicht von Freigänger-Katzen ab – WBK-Motion «Für eine bessere Kontrolle der Vermehrung von Streunerkatzen» ist keine wirksame Alternative
02.10.2019
Nach dem Nationalrat hat am vergangenen Donnerstag auch der Ständerat die Petition von NetAP und TIR abgelehnt. Während die Motion von Doris Fiala im Parlament noch nicht behandelt wurde, ist die Petition somit definitiv abgewiesen.
Die WBK des Nationalrates hat stattdessen am 15. August 2019 die oben genannte Motion dem Bundesrat mit folgendem Inhalt vorgelegt:
• Der Bundesrat wird beauftragt, eine Pflicht zur elektronischen Identifizierung aller Katzen vorzusehen.
• Nicht identifizierte Katzen sollen ohne Einverständnis der Besitzerin bzw. des Besitzers sterilisiert werden dürfen.
• Der Bundesrat unterstützt die Tierschutzorganisationen bei Sterilisierungskampagnen für verwilderte Hauskatzen.
Ihren Vorstoss begründet die Kommission wie folgt:
• Die bestehende Streunerproblematik in der Schweiz (mit über 100'000 Streunerkatzen) führe zu viel Leid.
• Das heutige Gesetz sei lückenhaft und man könne Katzenhaltende nicht verpflichten, Katzen kastrieren zu lassen.
• Durch eine obligatorische Kennzeichnung liessen sich herumstreunende (verwilderte) Katzen von solchen unterscheiden, die eine Besitzerin bzw. einen Besitzer haben; dadurch liessen sich Kastrationskampagnen gezielter durchführen.
• Die verschiedenen Tierschutzorganisationen seien sehr aktiv, was die Durchführung von Kastrationsaktionen betreffe; der Staat solle «hier ebenfalls seinen Beitrag leisten und zur Umsetzung des eigenen Gesetzes beitragen».
• Durch eine obligatorische Kennzeichnung der Katzen könnten die Besitzer/innen «besser zur Verantwortung gezogen werden».
• Die Rückgabe einer entlaufenen Katze an den/die Besitzer/in könne schneller und einfacher erfolgen. Damit würden den Tieren lange Aufenthalte in Tierheimen erspart. Bei Verkehrsunfällen wäre zudem eine rasche Identifikation möglich.
NetAP und TIR begrüssen die
Forderung nach einer obligatorischen Kennzeichnung und Registrierung der
Katzen und nehmen zur Kenntnis, dass die Kommission erneut bestätigt,
dass in der Schweiz ein mit viel Leid für die Katzen verbundenes
Streunerproblem besteht und sie dieses bekämpfen will. Eine
Kennzeichnungspflicht greift jedoch zu kurz und vermag die
Streunerproblematik nicht nachhaltig zu lösen.
Das geltende
Tierschutzrecht verlangt mit Art. 25 Abs. 4 TSchV bereits heute, dass
Tierhaltende alle zumutbaren Massnahmen treffen müssen, um zu
verhindern, dass sich ihre Tiere übermässig vermehren. Aufgrund ihrer
offenen Formulierung führt die Bestimmung aber offenbar zu Unklarheiten
in der Praxis und wird von den zuständigen Behörden schlicht nicht
vollzogen. Mit dem von NetAP und TIR geforderten Kastrationsobligatorium
für Freigänger-Katzen würde die Vorschrift durch eine klare
Umschreibung der entsprechenden Pflichten der Katzenhalter
konkretisiert, was den Tierschutzvollzug erleichtern und zu mehr
Rechtssicherheit führen würde. Eine solche Kastrationspflicht wäre eine
verhältnismässige Massnahme, um einen weiteren Anstieg der
Streunerpopulation zu verhindern, das Katzenleid zu verringern und den
Katzenbestand in der Schweiz nachhaltig zu regulieren. Die Kosten würden
dem Tierhalter auferlegt, weshalb dem Staat bei Annahme der Petition
bzw. Motion keine zusätzlichen Kosten entstünden. Eine Pflicht zur
Kastration würde das Problem nicht nur an der Quelle bekämpfen, sondern
auch die Kosten dem Verursacher auferlegen.
1.
Die Kennzeichnung und Registrierung hat keinen Einfluss auf das
Sexualverhalten der Katzen und stellt somit kein funktionierendes
Instrument für die Verhinderung eines weiteren Anstiegs der
Katzenpopulation dar. Auch gekennzeichnete Freigänger-Katzen pflanzen
sich ungehindert fort. Eine Kennzeichnungspflicht kann daher im Kampf
gegen das Katzenelend nur als flankierende Massnahme zu einer
Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen verstanden werden.
2.
Verantwortungsvolle Katzenhalter kastrieren bereits heute ihre Katzen
auf eigene Kosten und übernehmen Verantwortung zur Reduktion der
Überpopulation. Daran, dass verantwortungslose Katzenhalter ihre
Freigänger-Katzen nicht kastrieren, u.a. in der Annahme, dass der
Tierschutz diese Aufgabe übernehmen wird, wird auch eine
Kennzeichnungspflicht nichts ändern.
3. Viele Privathalter
lassen ihre Katzen bereits heute chippen und registrieren. Jedoch ist in
der Schweiz nicht flächendeckend dafür gesorgt, dass diese
Kennzeichnung tatsächlich abgelesen wird. In vielen Städten und Kommunen
werden verstorbene Tiere einfach entsorgt. Chiplesegeräte sind oft
nicht vorhanden (z.B. bei der Polizei). Eine gesetzliche
Kennzeichnungspflicht müsste deshalb mit der Verpflichtung der Kantone
und Gemeinden einhergehen, die Prüfung der Kennzeichnung zu
gewährleisten.
4. Es ist zu begrüssen, dass es gemäss der
WBK-Motion künftig prinzipiell zulässig sein soll, nicht
identifizierbare Katzen im Rahmen von Kastrationsaktionen zu kastrieren.
Wie bereits erwähnt, kann die Kennzeichnungspflicht im Kampf gegen das
Katzenelend aber nur eine flankierende Massnahme zu einer
Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen sein.
5. Der Staat
hat nicht nur «seinen Beitrag zu leisten», sondern die bestehenden
Vorschriften zu vollziehen. Dass in erster Linie die privat
organisierten Tierschutzorganisationen diese Aufgabe übernehmen sollen,
widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien.
6. Die
Verpflichtung des Bundesrats, Tierschutzorganisationen bei
Kastrationsaktionen für «verwilderte Katzen» zu unterstützen, wäre sehr
begrüssenswert.
Ergebnis
Es ist zu begrüssen,
dass die WBK-NR das bestehende Katzenleid in der Schweiz anerkennt und
etwas unternehmen will. Eine Kennzeichnungspflicht löst das bestehende
Problem der Überpopulation aber nicht. Sie kann lediglich als
flankierende Massnahme und nicht als echter Alternativvorschlag zu einer
Kastrationspflicht verstanden werden.
Will man das Katzenleid in
der Schweiz nachhaltig und wirkungsvoll bekämpfen, sind die Halter von
Freigänger-Katzen zu verpflichten, ihre Tiere kastrieren zu lassen.
Damit würde auch der Vollzug der bereits heute in der
Tierschutzgesetzgebung vorgesehenen Regelung, wonach Tierhaltende dafür
zu sorgen haben, dass sich ihre Tiere nicht übermässig vermehren, in
Bezug auf Katzen erheblich erleichtert. Stattdessen wird im Parlament
jedoch weiterhin auf Symptombekämpfung gesetzt und darauf vertraut, dass
sich Tierschutzorganisationen des Katzenelends annehmen.
Das Parlament wird deshalb ersucht, seine Argumentation im Rahmen der Behandlung der Motion von Doris Fiala noch einmal zu überdenken und sich für eine nachhaltige Lösung der Streunerproblematik einzusetzen.
Weitere Informationen:
- Medienmitteilung als PDF
- Zur Kampagne "Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen in der Schweiz"